Die Inkarnation aus dem Nichts

Manche Geburten vollziehen sich mit viel Pomp und Brimborium. E 605 entstand vorerst vollkommen im Stillen, existierte zuerst nur auf dem Papier.

 

Harold"Howie"Amann und Norbert"Nobs"Ecker, Schlagzeuger und Bassist einer zumindest in Insiderkreisen bekannten und beliebten Schülerband namens Personal Vision (später Renegade), wollten 1986 erstmals am Nachwuchsfestival der Sparkasse BGL teilnehmen.

 

In der Salzachhalle Laufen wurde jungen Bands die einmalige Möglichkeit geboten sich auf großer Bühne zu präsentieren ohne sich selbst um Dinge wie Lichtanlage, PA und das ganze Drumherum zu kümmern.

Nachdem irgendjemand das Gerücht aufgebracht hatte, die Startzeiten der teilnehmenden Bands würden ausgelost, kam man auf die Idee zwei Bands anzumelden um sich so einen besseren Startplatz zu sichern.

 

Auf dem Papier entstand eine neue Band. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch niemand ahnen, daß E 605 jemals auch nur einen Ton spielen würden:  Von Anfang an war geplant, den schlechteren Startplatz unmittelbar vor dem Auftritt abzusagen und den besseren mit Personal Vision wahrzunehmen.

Weiß der Teufel was damals in die Herren Amann und Ecker gefahren ist, als sie entschieden:

 

Wenn 2 Bands angmeldet sind spielen auch 2 !

 

Der Schlagzeuger Howie wurde der Einfachheit halber von Personal Vision übernommen. Bassist Nobs drückte sein Instrument einem musikalisch nicht ganz unbegabten Mitschüler namens Frank"Obi"Obermaier, der eigentlich Klavier gelernt hatte, in die Hand und hängte sich selber eine Gitarre um, auf der er immerhin bereits erste "Gehversuche" unternommen hatte.

Ein zweiter Lagerfeuergitarrist war im Klassenverband schnell gefunden.

Fehlte im Line Up nur noch ein Frontmann.

 

Nach dem strengen Auswahlkriterium "Wer scheißt sich am wenigsten?" wurde kurzerhand ein weiterer Mitschüler namens Keinei für E 605 rekrutiert. Dieser war bisher nur als Roadie bei Personal Vision in Erscheinung getreten, hatte sich in der Schule aber bereits einige Bekanntheit durch die nahezu perfekte Darbietung des "Urschreies" vom "Motörhead live at Hammersmith"-Album erarbeitet:

 

And now the loudest voice at anyones crew, G.R. :

Uuuuhuuuuuuuuuuuuuuuuuarghhh !

 

Robert"Keinei"Langwieder wurde bei seiner "Nominierung" im Halbschlaf einer späten GK Deutschstunde Ende Juli von Nobs mit den Worten "Am 20. September muasd singa" ins Bild gesetzt. Nach einem verschlafenen "Mhm" was wohl soviel wie "Is scho rechd, los mi weidaschlaffa" bedeuten sollte, war die Band komplett.

 

Komplett nicht im eigentlichen Sinn, fehlte doch noch jegliches Konzept und ein Plan was überhaupt gespielt werden würde.

Die Sommerferien standen vor der Tür und so verlor man sich vorerst aus den Augen und damit aus dem Sinn.

 

Knapp 4 Wochen vor dem Auftritt erinnerte sich Keinei, der inzwischen beschlossen hatte die Schule zu verlassen und aus Selbstversorgungsgründen Bierbrauer zu werden, der besagten Deutschstunde.

Auf die telefonische Anfrage ob "das mit dem Singen am 20. September" ernst gemeint wäre und dem Einwand, wenn ja, daß es an der Zeit wäre langsam irgendetwas einzustudieren, folgte die Übereinkunft sich die nächste Woche doch einmal zu treffen.

 

3 Wochen vor dem Auftritt !

 

Die erste Probe, bei der immerhin 4 der 5 potentiellen Bandmitglieder anwesend waren, verging hauptsächlich mit der Diskussion über das zukünftige Repertoire. Nachdem der "Lagerfeuergitarrist" Andi"Kronei"Kronawitter mit seinem Vorschlag Pfadfinderlieder etwas aufzupeppen auf allgemeine Ablehnung stieß und andrerseits Covernummern von Motörhead oder Iron Maiden, wie sie Keinei gern performt hätte für dieses Line Up schlichtweg einfach zu schwierig waren, blieb nur noch ein Weg:

Eigene Songs !

 

Nobs und Howie, die ja von Personal Vision schon Erfahrung mit eigenem Material hatten, lieferten die Musik, Keinei nach Vorschlägen der Band den Text, nach dem Motto "Versteht ja eh koana".

 

So entstanden in den verbliebenen 3 Wochen, bei 4 Probenterminen Klassiker wie "Chinese Beer","Living for Destruction","Just for Fun" und "Luftangriff", die sich nicht nur aus Zeitgründen auf die Verwendung von 3-4 Akkorden und wenigen Zeilen Text beschränkten (Nobs:"Mehr als 4 Akkorde san Verschwendung !").

Am Vormittag des 20. September - die Band war zum ersten Mal vollzählig - wurde noch schnell "Apokalypse in Rosa" gebastelt, da die bestehenden Songs die zugestandene Spielzeit nur sehr dürftig ausfüllten.

 

Nun war man zum Auftritt und allen Schandtaten bereit, musste aber ernüchtert feststellen, daß die Startplätze der Band gar nicht gelost worden waren, sondern mehr oder weniger nach dem Bekanntheitsgrad festgelegt wurden, was bedeutete

E 605 als Erste, Personal Vision als Zweite ab 14 bzw. 14.30 Uhr am hell-lichten Nachmittag !

 

Trotz der ungünstigen Voraussetzungen war die Resonanz deutlich besser als erwartet und nach einem wirklich spaßigen Auftritt hatte E 605 den Grundstein gelegt per definitionem die schlechteste Band der Welt zu sein: Jeder der noch schlechter ist als E 605 ist keine Band !

 

1987 spielte E 605 beim gleichen Festival, sehr zum Unwillen wesentlich besserer Bands, inzwischen mit Sammy Hager an der 2.Gitarre, bereits um

20 Uhr zur besten Zeit !

1988 und 1990 folgten Shows im ausverkauften Jugendheim Freilassing. Beim bisher letzten Konzert 1990 schloß Klausi"Jake"Schiller (Ex-Flash, heute HARTMUT-Schlagzeuger) die Lücke an der Rhythmusgitarre, die Sammy Hager hinterlassen hatte, als er wegen "Instrumentenmangel" die Band verließ.

 

Über den legendären Auftritt in der Disco "Manhattan" (heute "Oberbayern") schweigt der Gentleman !!!

Danach war die Ära E 605 zu Ende, als die Akteure in alle Himmelsrichtungen verstreut, mehr oder weniger dem Ernst des Lebens nachgingen...

 

...doch hartnäckige Gerüchte berichten für den

    31. Oktober 2009      Schreckliches...

 

Inzwischen ist der 31. Oktober verstrichen und die Prophezeihung hat sich erfüllt! Der "Luftangriff" ist über Freilassing niedergegangen.

Mit beispielloser Spielfreude verbreitete E 605 eine brachiale Mischung aus Rock, Punk und purem Lärm, daß dem Publikum Hören und Sehen verging...

Apropos Sehen: Sehen konnte das Publikum die Band, aber auch die Band das Publikum, erst so ab dem dritten Song. Erst dann nämlich lichteten sich die Nebelschwaden, die Schlagzeuger Howie eigentlich nur für´s Intro produziert hatte...

Zum Schluß stand fest, alle hatten ihren Spaß gehabt,

(wer nicht war vermutlich selber Schuld...Otto Pilzer???) und E 605 hatten wieder eindrucksvoll ihren Ruf als schlechteste Band der Welt untermauert...

 

Die Zukunft steht in den Sternen,

oder

frei nach David Coverdale:

 

"I don´t know, where I´m goin´

 I´m even not always shure, where I have been..."

 

(aus "Here I go again"/Whitesnake)

 

 

 

 

 

 

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